Schreiben

Im letzten Jahr zog es eine Teamerin aus unserer Gemeinde ins Ausland. Beim Abschied habe ich sie gefragt, ob sie sich wünscht, dass wir den Kontakt aufrecht erhalten. Oder ob sie lieber ganz ohne Kontakt einfach an dem Ort sein möchte, an dem sie dann ist. Sie antwortete, dass sie Lust hätte, auf Facebook, Whattsapp u.ä. zu verzichten und stattdessen Briefe zu schreiben.

Ich war einigermaßen überrascht. Aber auch gespannt, ob das funktionieren würde. Und tatsächlich: Nach ein paar Monaten kam der erste Brief. Ein toller Moment. Zwischen all der Werbung und den Rechnungen: Ein echter Brief. Handgeschrieben. Um überhaupt antworten zu können, musste ich selbst zunächst einmal los. Briefpapier kaufen. Denn so etwas besaß ich gar nicht mehr. Drei oder vier Briefe haben wir uns in dem Jahr hin und her geschickt. In meinem Letzten habe ich dann etwas wehmütig geschrieben: „Es ist fast schade, dass du wieder kommst. Denn jetzt hört das Briefe-Schreiben wieder auf.“

Briefe-Schreiben ist anders als Postkarten-Schreiben. Auch anders als Facebook-Status-Schreiben. Oder Emails-Schreiben.

Christian Lehnert sagt es in diesem Buch so:

Der Brief ist eine Ausdrucksform, die heute selten geworden ist. Die eher als mündlich empfundene email, die irgendwann gelöscht wird, oder das schnelle Telefonat treten an seine Stelle. Was ist die Eigenart dieser verschwindenden Gattung? Ein Brief ist eine Mischung aus Anrede und Monolog, seine innere Kraft entfaltet er, wo er sich von dem Gegenüber löst, der eigenen Stimme folgt, aber zugleich nicht in einen anonymen Raum spricht. […] Briefe haben zwei Naturen. Sie sind Geburten des Augenblicks, sie gehören in eine bestimmte Zeit, und sie sind doch nicht ganz in ihr zu Hause.Christian Lehnert

Das erlebe ich ganz ähnlich. Beim Briefe-Schreiben denke ich viel grundsätzlicher als beim Email-Schreiben. Ich gehe auf Abstand. Auch zu mir selbst. Mir kommen Gedanken, die über die Situation hinaus wertvoll sein können.

Ein Blog ist kein Brief. Ich spüre das Papier nicht in der Hand. Ich kann Geschriebenes immer wieder korrigieren und muss nicht von vorne beginnen oder durchstreichen. Meine Hand hält keinen Füllfederhalter, sondern liegt auf der Tastatur. Aber dennoch gibt es nach meinem Empfinden auch Ähnlichkeiten. Ich schreibe anders als bei Facebook. Ich kann meine Texte gestalten und illustrieren, wie ich es möchte. Und vor allem: Ich schreibe zwar für andere, aber es bleibt mein Text. Und es bleiben meine Bilder. Ich gebe die Rechte daran an kein Unternehmen ab.

Deshalb der Entschluss, sieben Jahre nach dem Schließen meines ersten Blogs (die älteren erinnern sich vielleicht) noch einmal neu zu starten. Ich bin gespannt, ob es funktioniert. Wenn es ähnlich klappt wie mit dem Briefe-Schreiben im letzten Jahr, dann wäre das schön.

[Bild: Rubin Starset, Flickr Creative Commons]

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1 Kommentar

  1. Udo Sander

    (Auch) Optisch ein Genuss!
    Bin gespannt.
    Glückwunsch!!

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