Alle Artikel des Monats: Juli 2015

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Loblied auf die Frage

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Heute im Gottesdienst habe ich ein Experiment gewagt und bin ohne Manuskript auf die Kanzel gestiegen um zu predigen. Dafür aber mit jeder Menge Fragen aus der Gemeinde. Bevor ich von dieser Erfahrung berichte – ein kurzes Loblied auf „Die Frage“.

Ein Workshop vom Kirchentag in Stuttgart hatte einen besonders intensiven Nachhall bei mir. Es ging in diesem Workshop zunächst um „Persönliches im Gottesdienst“ und dann aber auch um die Schönheit der Frage. Ein Pastor berichtete sinngemäß, dass er nach fünf Jahren in der Gemeinde einfach nichts mehr zu sagen hatte, weil er müde davon war, sich jeweils über 15 Minuten zu einem Thema auszulassen, zu dem überhaupt niemand eine Frage gestellt hatte. Und oftmals ist auch das ja die Erfahrung von Predigthörern, dass man den Eindruck hat, es werden Antworten auf Fragen gegeben, die eigentlich gar niemand gestellt hat.

Vielleicht trägt auch dazu bei, dass wir als Predigende oft schon zu schnell bei den Antworten sind und die Fragen nicht lange genug Fragen sein lassen. Oder uns den eigenen Fragen erst gar nicht stellen. Ein Dozent an der Uni sagte mir einmal: „Wenn Sie in der Bibel mehr als drei Verse lesen und Ihnen kommt nicht irgendeine Frage in den Sinn, dann lesen Sie noch einmal genauer!“

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Von einer bedeutungslos werdenden Volkskirche zur „Kirche mit anderen“

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Ein weitverbreitetes und beliebtes Deutungsmuster zur steigenden Bedeutungslosigkeit der Volkskirchen in unserem Land funktioniert ungefähr so:

„Immer weniger Menschen kommen in die Kirchen. Der Grund dafür ist allerdings nicht, dass das Volk nicht spirituell interessiert wäre. Ganz im Gegenteil: Wir leben in der Zeit des Post-Säkularismus. Die Menschen tragen einen ganzen Bauchladen voller spiritueller Fragen und Sehnsüchte mit sich herum. Nur sind ausgerechnet die Kirchen der letzte Ort, an dem sie diese Fragen stellen, da sie dort keine Antworten mehr erwarten.“

Weitverbreitet ist dieses Deutungsmuster interessanterweise gerade innerhalb der kirchlichen Landschaft. Und zwar vermutlich deshalb, weil es in einer Zeit, die stattdessen auch depressiv machen könnte, einen gerade noch erträglichen Mix aus angeblich realistischer Gegenwartsanalyse bei immerhin noch vorhandener Zukunftsperspektive bietet: Zwar hat die Kirche bisher an den Leuten vorbeigeredet, weil sie Antworten auf Fragen gegeben kann, die so gar nicht gestellt worden waren. Aber nun, da dieses Problem erkannt ist, hat sie die Möglichkeit, sich als ehemaliger Monopolist auf dem Feld der Sinnsuche den heute aktuellen spirituellen Fragen der Menschen zuzuwenden und ihre Deutungshoheit im Hinblick auf die wirklich wichtigen Themen des Lebens zurückzugewinnen.