Ein neuer Lebensabschnitt? Ich frage mich gerade, ob das nicht etwas hochgegriffen ist. Mein Arbeitgeber bleibt derselbe. Mein Einsatzort/meine Gemeinde auch. Mein Aufgabenbereich ändert sich nur zu einem Viertel meiner Arbeitszeit. Aber irgendwie fühlt es sich trotzdem wie eine Zäsur an. Ich habe überlegt, woran das liegt.
Sicherlich an der Zeitspanne, die ich schon hier bin. Zehn Jahre habe ich noch nie an einem Ort gelebt (bevor ich nach Nordhorn kam, war ich 15 mal in 30 Jahren umgezogen) und es hat sich für mich in den letzten Jahren schon die Frage gestellt, ob das, was ich tue, jetzt einfach immer so weiter geht (wobei das keine Horrorvorstellung war, weil ich das, was ich tue, sehr gerne tue und Nordhorn auch sehr mag) oder ob noch einmal etwas Neues kommt. Dann liegt es vielleicht auch an dem (für mich zumindest gesundheitlichen) Seuchen-Jahr 2019 mit meiner mehrmonatigen Zwangspause, die auch nochmal Dinge sortiert hat. Und vor allem aber hat es mit einer kleinen Gruppe von Leuten zu tun, die sich gerade auf den Weg macht. Dazu gehören Leute, die so etwas wie Seelenverwandte/Komplizinnen/Mitstreiterinnen sind.
Zu ihnen gehört auch meine Kollegin Henrike (ich habe das unverschämte Glück, in einem ganzen tollen Diakonin/Pastoren-Team hier zu arbeiten). Im Sommer hat sie von ihrer Sehnsucht erzählt nach einer Art von Kirche, die noch nicht in dem aufgeht, was sie im ersten Jahr ihres Dienstes bei uns in der Gemeinde erlebt hatte. Ihr könnt Euch vorstellen, auf welchen Boden dieser Impuls bei mir fiel und wir haben in den kommenden Wochen und Monaten so viel an Gedanken ausgetauscht darüber, was alles sein könnte. Henrike spricht in anderen Worten als ich über unsere neue Initiative. Wir haben auch andere backgrounds. Aber dieselbe Sehnsucht. Und das ist ziemlich wertvoll. Und als wir angefangen haben, uns Gedanken darüber zu machen, wie wir das Ganze angehen können und Freundinnen und Freunden davon erzählt haben, sind eine nach dem anderen Leute dazugekommen, die gesagt haben: „Ja! Ja! Ja! Darauf hab ich nur gewartet.“ Oder auch: „Hä? Klingt interessant, aber ich hab keine Ahnung, wovon ihr sprecht. Halt mich aber auf dem Laufenden.“ Allein in den drei Stunden zwischen dem Erstellen des letzten Blogeintrags und diesem hier sind neue Leute hinzugekommen.
Um das Technische kurz zu machen: Wir haben im Oktober einen Antrag auf eine halbe Pfarrstelle beim sog. „Fond missionarischer Chancen“ unserer Landeskirche gestellt; dieser wurde für fünf Jahre bewilligt; unsere beiden lutherischen Kirchengemeinden und der Kirchenkreis sind finanziell und ideell mit eingestiegen; Henrike und ich haben jeweils die Hälfte der halben Stelle bekommen; die Viertelstelle, die ich an klassischer Gemeindearbeit abgebe, übernimmt eine weitere Kollegin (Simone Schmidt-Becker); und das Tolle: wir haben so viel an Rückenwind, so viel an Unterstützung, so viel an Zuspruch bekommen von Kollegen, aus der Gemeinde, den Kirchenvorständen, der Kirchenleitung; es fühlt sich gerade wirklich richtig an.
Was machen wir denn jetzt konkret? Das klingt alles noch so diffus! Stimmt. Ist es auch noch. Momentan sind wir noch eher auf der Spur unserer eigenen Sehnsüchte und Ideen von dem, was sein könnte, als dabei, neue Formate oder Events zu entwickeln. Wenn ihr eine Ahnung von dem bekommen wollt, was für mich im Rückblick so etwas wie Schlüsselerfahrungen waren, dann sind das vielleicht dieser tolle Abend vor einigen Jahren an meinem Küchentisch oder diese Veranstaltungen in der Lindenallee im Januar.
Bisher gab es nur ein Treffen und eine whatsapp-Initiativ-Gruppe. Was wir mit Hilfe dieser beiden aber schon gefunden haben, ist ein Name für das Baby. Es heißt (zumindest vorläufig, vielleicht aber auch für länger) „ZwischenZeit“. Er kam aus der Gruppe und er passt gut, finde ich: Unsere Kirche befindet sich auch in einer ZwischenZeit – zwischen Abbruch und Aufbruch. ZwischenZeiten sind Momente zwischen Einatmen und Ausatmen. Zwischen Schlafen und Wachen. Zwischen Fragen und Antworten. Zwischen Dekonstruktion und Neugestaltung.
Was wir schon angedacht haben: Ausflüge zu anderen ähnlichen Initiativen nach Essen, Hamburg oder Köln, um uns inspirieren zu lassen. Gespräche mit ganz unterschiedlichen Menschen in Nordhorn über ihre Träume, Herzensanliegen, Nöte. Vielleicht irgendwann ein schniekes Ladenlokal in der Stadt für die Stadt, wo man Kaffee trinken, sein Herz ausschütten, Wohnzimmerkonzerte veranstalten oder sein eigenes Lieblingsprojekt verwirklichen kann. Einen Podcast oder einen YouTube-Channel starten.
Vielleicht machen wir das alles oder gar nix davon oder was ganz anderes. Mal sehen. Das, was wir jetzt erleben, der Weg, der beginnt, der ist eigentlich schon die Sache selbst. Deshalb haben wir auch gesagt: Wir machen keine Hochglanz-Webseite, sondern wir eröffnen ein digitales Notizbuch. Wir wollen nicht das Ergebnis veröffentlichen, sondern den Prozess. Mit allen Irrwegen und Umwegen. Jede und jeder kann sich da beteiligen. Hier ist das Notizbuch. Viel ist da noch nicht zu lesen. Geht ja auch gerade erst los. Eigentlich ja erst übermorgen. Henrike und ich haben dann übrigens im Januar erstmal nacheinander schon lange geplanten Urlaub ;-) Das finde ich irgendwie auch richtig super nach dem Jahr der „Zeit für Freiräume„, weil es vor Machbarkeits-Wahn bewahrt und uns ganz entspannt starten lässt.
Wenn Du jetzt Appetit bekommen hast, dann melde Dich doch gerne bei mir. Oder bei Henrike. Oder Judith. Lars. Thomas. Silvia. Dörte. Anke. Anne. Volker. Jonathan. Sie sind alle schon gedanklich und mit dem Herzen seit ein paar Monaten oder ein paar Stunden dabei. Was entsteht, das liegt in ihren und Euren Händen. Und ich sehr froh, dabei sein und mitgestalten zu dürfen.
Silvia
Die Dörte und die Silvia und der Thomas sind die Ältesten in dieser inspirierenden Gruppen. Lutherisch, katholisch, reformiert. Neben uns sitzt ein ehemaliger Altreformierter und uns bewegt das Thema Kirchen und unser Zuhause in ihr sehr.