Heute ist Totensonntag. Jedes Leben ist einzigartig. Jeder Mensch einmalig.
Zwei von denen, die im letzten Jahr gestorben sind,
haben früher Zigarren gerollt.
Einer wäre mit drei fast ertrunken.
Einer trug am Wochenende immer Krawatte.
Viele sind im Krieg geflohen.
Manche behielten ihre Heimat für immer in ihrem Herzen.
Eine hat so gerne mit ihren Enkeln Plätzchen gebacken.
Einer brauchte nicht viel zum Glücklichsein.
Eine hat ihr Leben lang getanzt.
Und alle hatten jemanden, der sie liebte.
Eine oder auch zwei konnten nicht „Nein“ sagen.
Eine andere hat beim Mensch-Ärger-Dich-Nicht-Spielen immer gewonnen – aus Versehen.
Und eine hat alle ihre Rezepte mit ins Grab genommen.
Einer erwartete absolute Pünktlichkeit.
Ein anderer hat einmal eine Kuh geklaut.
Und wieder ein anderer war immer auf Seiten der Opposition.
Eine mochte Mohnstriezel.
Viele haben gern gelebt.
Zwei konnten sich einfach alles merken.
Eine hat jedem Wildfremden ihre Lebensgeschichte erzählt.
Eine hatte 19 Urenkel.
Und eine hat gesagt: „Lass uns den Fernseher ausmachen und ein wenig reden.“
Einer war albern, wenn seine Enkel da waren.
Ein anderer hat seine Briefe nie aufgemacht.
Eine war ein echtes Energiebündel.
Und einen hat das DDR-Regime eingesperrt.
Und alle hatten jemanden, den sie liebten.
Eine fuhr gern zum Titisee.
Viele haben von früher erzählt. Manche auch nicht.
Und eine andere hat noch einmal jemanden kennengelernt und neuen Mut bekommen.
Eine wollte immer etwas Neues ausprobieren.
Einer hat auf dem Friedhof fotografiert.
Und ein anderer hat immer gesagt, es gehe ihm „blendend“.
Auch wenn es ihm nicht blendend ging.
Manche haben auf den Tod gewartet.
Einige starben zu früh. Manche viel zu früh.
Eine hat monatelang ein Holzkreuz in der Hand gehalten, das ich ihr geschenkt hatte.
Und einer hat zum Schluss auf Jesus geblickt und gesagt „Mein Freund“.
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