Heute denken wir an die Toten. Jeder Mensch ist einmalig.
Einer von denen, die im letzten Jahr gestorben sind, hat damals die Briten ausgetrickst.
Ein anderer hat nach der Wende erfahren, dass seine besten Freunde ihn bespitzelt hatten.
Eine ist immer ohne Geld zum Einkaufen gegangen – „erstmal nur gucken“.
Ein anderer hatte ein eigenes Eisfach – nur für sein Eis.
Und eine war oft stundenlang im Imbiss, weil es da so schön war.
Viele haben gerne gelebt.
Eine hat immer montags geputzt, denn am Dienstag kam ja die Putzfrau.
Eine andere war ihr Leben lang immer überall fremd.
Und noch eine andere konnte mit 86 Jahren noch ihre Füße mit den Fingerspitzen berühren.
Einer hat seinen Schmerz betäubt.
Ein anderer hat viel geweint. Immer am Wochenende.
Eine hat noch einmal ein ganz neues Leben begonnen.
Einem ist es am Ende gelungen, seine Gefühle zu zeigen.
Und einer hat sich nach vielen Jahren mit seinem Sohn versöhnt.
Ein anderer hat den Sarg seines kleinen Sohnes auf dem Fahrrad zum Nordfriedhof gebracht.
Sie alle hatten jemanden, den sie liebten.
Einer hat nach 10 Minuten immer das Geschirr abgeräumt – auch das von den anderen.
Einer brauchte keine Ärzte – nur Pferdesalbe.
Eine hat ihre Pflegerinnen durch Süßigkeiten-Entzug bestraft, wenn ihr etwas nicht passte.
Und einer ist mit seiner Tochter durch die Wohnung getanzt, während der Plattenspieler Katharina Valente spielte. Und kam zu spät zur Arbeit.
Einer war viele Jahrzehnte bei den Kaninchenzüchtern, obwohl er nie ein Kaninchen besaß.
Zwei waren Brüder und zusammen wie ein altes Ehepaar.
Einem von den beiden kamen immer die Tränen, wenn sie abends „Unsere kleine Farm“ auf dem Diwan guckten.
Und alle hatten jemanden, der sie liebte.
Eine hat beim Arzt immer Bonbons verteilt für alle.
Ein anderer hat mit seinen Kindern Kirschkerne über den Küchentisch gespuckt.
Wieder ein anderer hat immer nachts neue Pläne geschmiedet.
Eine hat den Hund der Nachbarn heimlich mit Schokolade gefüttert.
Eine tanzte früher im blauen Kleid.
Wieder eine andere hatte immer ein Lied auf den Lippen.
Und einer hat morgens um 5 Uhr immer den Hund geweckt zum Spazierengehen.
Eine ist auf der Flucht vor den Russen durch die Elbe geschwommen.
Drei kamen nicht mehr auf die Gustloff, weil sie schon voll war.
Ein anderer kurze Zeit später und hat sie verpasst.
Einer hat immer gesagt: „Mach ich morgen.“
Und einer hat immer gefragt, wie es den anderen geht. Auch, als es ihm selbst schlecht ging.
Einer waren die Regeln beim Kartenspielen so wichtig, dass sie sich immer wieder neue Freunde suchen musste.
Eine ist zum Schluss aggressiv geworden. Ein anderer sanft.
Eine ist auf Grog umgestiegen, als der Arzt ihr den Alkohol verbot.
Eine andere war bis zum Schluss immer noch für eine Überraschung gut.
Und eine mochte das Licht.
Einer hat nie über den Tod reden wollen, sondern lieber über das Leben.
Eine andere hat alles genau vorbereitet.
Eine hat ein Holzkreuz in ihren Händen gehalten und gesagt: „Das ist so wichtig. Das ist so wichtig.“
Manche haben auf den Tod gewartet.
Einige starben zu früh. Manche viel zu früh.
Eine war nie krank. Bis sie dann sehr krank wurde.
Einige hatten keine Angst vor dem Tod.
Eine hatte mehr als 800 Engel zu Hause. Und mindestens einen, der sie jetzt begleitet.
Einer hat seiner Frau kurz vor dem Sterben noch ein Herz gemalt.
Und eine fehlt mir sehr.
Timm
Schön.
Tobias Lampert
Sehr berührender Text – Dankeschön dafür, Simon!
Bita
Wirklich toll geschrieben!
Vikar Johannes Luck
Ich finde den Beitrag sehr berührend!
Einzelne Menschen erscheinen vor meinem inneren Auge. So wie sie waren.
Es ist schön zu sehen, wie vielseitig wir sind. Unvergesslich auf unsere Weise im Leben und und auch danach!
Vielen Dank dafür!