Den besten Einfall, so wird erzählt, hatte der liebe Gott, als er ei­gentlich schon längst fertig war. „Lass uns den Sonntag machen“, sagte er zu sich selbst, „der fehlt der Welt noch!“ „Was ist der Sonntag?“, frag­te der Mensch, denn der bekommt bekanntlich ge­nau all das mit, was nicht für seine Ohren bestimmt ist. „Kann man das essen, kann man damit etwas herstellen, ist er irgendwie nützlich? Oder we­nigstens schön anzusehen?“ „Nun ja“, sagte der liebe Gott, „nicht di­rekt. Aber warte nur ab!“ Und er setzte sich in seinen Sessel, be­trachtete die Welt und genoss. Schöpfung in ihrer großartigsten Form!

Der Mensch wartete ab, ein paar Wochen lang, und probierte den Sonn­tag aus. Er ließ sich erklären, was so ein Sonntag ist und wie man ihn benutzt (heiligen, die Ruhe wahren und all diese Sa­chen). Aber so ganz konnte er sich mit dem Sonntag nie anfreunden. Die Arbeit so formvollendet ruhen lassen, das kann wohl nur jemand, der vor­her eine ganze Welt erschaffen hat. Alle anderen haben damit ihre Schwie­rigkeiten. Das war schon im­mer so, denn Menschen wollen et­was zu tun haben. Mit sich selbst allein zu sein, ganz ohne Ablen­kung, das raubt ihnen oft den letzten Nerv.

Und so mosern sie. Lisa mit ihren 15 Jahren stöhnt über die Eltern, die ihr – so sagt sie – alles verbieten. Und über das Frühstück mitten in der Nacht – um 11 Uhr. Sabine klagt über ihre Familie. Alle auf einem Haufen, einer macht mehr Dreck als der andere – die Woche über sind ja fast nie alle gleich­zeitig da, das hat schon was für sich.

Wer all das nicht aushält, stürzt sich am besten in Aktivität. Versucht alles, aber auch wirklich alles, hinein zu legen in diesen Tag, er­war­tet unglaublich viel – und dann en­det oft alles in Unzufriedenheit. Viel­leicht ist es mit dem Sonntag genauso: dass meine Wo­chen­end­be­ziehung zu diesem Tag manchmal leidet, weil ich zu viel will – Ent­span­nung und Erlebnis und am besten auch noch Geistliches?

Einige aber, so wird erzählt, begannen zu schimpfen und zu sagen: „Lie­be Leute, so geht das nicht, ihr müsst den Ruhetag halten, ob es euch gefällt oder nicht! Denn das ist ein Ge­bot Gottes und da führt kein Weg dran vorbei, ohne Wenn und Aber.“ Und sie be­gan­nen, den Men­schen alles madig zu machen.

Und Gott schüttelte den Kopf über soviel Verbohrtheit, murmelte so et­was wie „Lernen sie es denn nie?“ und beschloss, die Sache anders an­zu­gehen. Und Er lief auf der Erde um­her und ließ sich sehen. Und weil Menschen oft nicht hören wollen (und wer nicht hö­ren will, muss fühlen), darum ließ Gott sie spüren, wie das ist mit Seiner Liebe. Denn Gott ist kein Schnacker, sondern ein Macher. Und die das begrif­fen, die Fischer und die Zöll­ner, Frauen und Kinder und Männer, ganz vie­le, die staunten. Bei Ihm nämlich war jeder Tag ein Feier-Tag.

Das aber passte nicht allen. Weil er noch so manches tat und sagte, was den Leuten nicht passte, schlugen sie ihn an das Kreuz. Jetzt kann das normale Le­ben wie­der be­gin­nen, jetzt haben wir Ruhe von diesem Feiertags-Clown, sagten sie, und merk­ten gar nicht, wie widersprüchlich das war. Denn das große Fest Gottes hatten sie damit ver­lo­ren.

Ei­gentlich sind Christen, weil sie den Sonntag haben, Stehauf-Men­schen. Ewige Neu-Anfänger. Sonntagskinder eben.

Aber Gott mochte sich damit nicht abfinden und kam wieder, nach drei Tagen, und es war – natürlich – ein Sonntag. Und die er berühr­te, sahen das Leben mit anderen Augen und fingen neu an und lie­ßen sich taufen. Und darum feiern sie bis heute den Sonntag. Und zwar nicht als letzten Tag, sondern eigentlich als ersten. Wegen des Osters­onntags, als Gott gegen alle Menschenerfahrung wieder kam. Ei­gentlich sind Christen, weil sie den Sonntag haben, Stehauf-Men­schen. Ewige Neu-Anfänger. Sonntagskinder eben.

Sonntagskinder, so sagt man, sind Glückskinder. Aber wirkliche Sonn­tagskinder sind sel­ten geworden. Das sagt zumindest die Sta­tis­tik. Tatsächlich kommen bei uns an Sonntagen deutlich weniger Kin­der zur Welt als an Wochentagen. Das liegt an Kai­ser­schnit­ten und ähnlichem – wenn schon geplant werden muss, dann bitte nicht auf das Wochenende, denn da ist das Personal teuer. Darum gibt es im­mer weniger Sonntags­kin­der.

Aber Sonntagskind kann man auch später im Leben noch werden. Nicht Montagsmuffel bleiben, sondern den Sonntagsduft atmen. Die Welt betrachten und bewusst sagen: Siehe, das ist gut! Denn der Sonn­tag ist für das Leben der erste Tag. Vorgeschmack der Aufer­ste­hung. Durchatmen. Dan­ken. Den ersten und den letzten Tag feiern und die Zwischenzeit sowieso.

[Text: Wilko Hunger; Bild: gato-gato-gato, flickr]