Ich komme aus einer Tradition, in der das eigene Bekenntnis eine wichtige Rolle spielt. Sich zu etwas zu bekennen, ist ja auch etwas Wunderbares: Wenn eine:r zu dem steht, was ihr oder ihm wichtig ist. Wenn jemand Zeugnis davon gibt (so sagten wir früher), was sie oder ihn glauben und lieben und hoffen lässt. Das hat eine große Kraft. Ich selbst bin glaube ich auch jemand, der in seinem Beruf (und auch sonst) vergleichsweise viel von eigenen Erfahrungen; von Schwerem und Leichtem; von dem, was mich erfüllt, preisgibt.

Nicht immer aber kommt das eigene Bekenntnis leicht über die Lippen. Es gibt Zeiten in unserem Leben, da fällt es schwer zu glauben. Wir sagen dann vielleicht noch die Worte und spüren gleichzeitig: unser Empfinden und unser Leben deckt sie nicht (mehr).

In einer besonders schweren Zeit meines Lebens vor einigen Jahren habe ich das so erlebt. In dieser Zeit habe ich wiederholt Samstags vor einem weißen Blatt Papier oder einem leeren Word-Dokument gesessen und ich wusste nicht, was ich am Sonntag noch meiner Gemeinde sagen könnte. Ich hatte in dieser Zeit keine eigenen Worte der Hoffnung, der Liebe und des Glaubens.

Wenn ich zurückschaue, habe ich dennoch das Gefühl, dass ich durch diese Zeit getragen worden bin.

Zum einen spielt mein Amt dabei eine Rolle – also die Aufgabe, die meine Kirche mir als Pastor zugetraut und anvertraut hat. Diese Erkenntnis ist für mich selbst ein wenig überraschend, weil ich keine besonders elaborierte Amtstheologie habe und manches hier eher nüchtern sehe. Aber ich habe auch an diesen Tagen gespürt, dass die Schönheit des Evangeliums, von dem zu erzählen ich beauftragt bin, so groß ist, dass ich es nicht als Person dauerhaft fühlen und abbilden muss. Ich kann auch in einer Art trotzigen Treue von etwas erzählen, was ich selbst gerade nicht spüre.

Und zum anderen – und darauf kommt es mir in diesem Zusammenhang an – hatte ich den Eindruck, dass andere (vor allem Menschen aus meiner Gemeinde) in dieser Zeit für mich solange „mitgeglaubt“ haben, bis ich es wieder konnte. Eine Art solidarischer, anteiliger, stellvertretender Glauben. So wie früher bei den Kindern beim Fahrradfahren: Wenn sie total k.o waren, dann habe ich sie eine Weile beim Fahren – mit der Hand auf ihren Rücken gelegt – geschoben. Eben solange, bis es für sie wieder weiterging. So habe ich es empfunden – ich musste eine kleine Strecke, wo ich einfach nicht mehr konnte, gar nicht strampeln. Andere haben für mich gesorgt mit ihrem Glauben.

Wenn ich für andere laufe und dabei an sie vor Gott denke, dann sind da manchmal auch Menschen bei, die vielleicht selbst nicht beten würden. Aber sie fragen aus irgendeinem Grund, ob ich es tun mag. Vielleicht kann ich so etwas zurückgeben.

Heute habe ich einen Brief an einen Menschen geschrieben, der vielleicht bald sterben wird. Es ist alles so schlimm und schrecklich. Immer wenn wir uns darüber unterhalten haben, dann habe ich es so verstanden, dass es ihm schwer fällt, die Dinge zu glauben, die für mich im Leben wichtig geworden sind. Ich weiß nicht, wie es in diesen Tagen bei ihm ist. Aber egal, wie es ist: ich hatte heute morgen, als ich für ihn gebetet habe, den starken Eindruck, dass es nun am Ende auch gar nicht mehr so entscheidend wichtig ist, was er glauben und hoffen kann, sondern dass ich jetzt einfach für ihn „mithoffen“ darf.

Meine Vorstellung von Gott ist irgendwie im Laufe meines Lebens immer größer und weiter und barmherziger geworden, so dass ich mir heute vorstellen konnte, dass mein kleiner Glaube nicht nur für mich, sondern sogar noch für ihn mit reichen könnte.