Manche Dinge im Leben versucht man ja zuerst zu verstehen und dann handelt man im Anschluss entsprechend. Manche Dinge passieren einem auch einfach und man versucht dann im Anschluss, sie immer besser zu verstehen. So geht es mir mit der Erfahrung der Trennung.
Trennung kann man im Folgenden partnerschaftlich verstehen. Aber es gibt ja auch andere Arten der Trennung – in Freundschaften, beruflich, in Familien. Vielleicht können diese Gedanken zu verschiedenen Kontexten passen, in denen Menschen sich trennen.
Trennung als Scheitern
Der für mich unmittelbarste Impuls, Trennung zu verstehen, war, diese als Scheitern zu erleben. Als Scheitern eines gemeinsamen Projekts, als Scheitern eines gegebenen Versprechens, als Scheitern in der Verantwortung für die Kinder, als Scheitern von vielem, was ich mir gewünscht und erhofft hatte. Nach wie vor bleibt diese Deutung auch eine für mich Wichtige: Ja, ich bin gescheitert (übrigens längst nicht nur an dieser Stelle).
Ich kann das vielleicht auch deshalb so beherzt sagen, weil „scheitern“ für mich nichts Vernichtendes hat. Noch nicht einmal etwas Verurteilendes. In jedem Fall nicht als letztes Urteil. Ich würde mich deshalb auch nicht als „Gescheiterten“ oder gar als „gescheiterte Existenz“ bezeichnen – als ob dies das einzige oder zumindest das erste wäre, was über mich oder über jemand anders gesagt werden könnte. Ich glaube aber schon, dass das Scheitern einfach zum Leben dazugehört. Nicht jedes Versprechen können wir einlösen, nicht jedes Vorhaben zu Ende führen und nicht jeder Idee bleiben wir für immer treu. Unser Leben besteht nicht aus einer ewigen Folge von Gelungenem. Zumindest meins nicht. Scheitern können und dürfen heißt für mich auch, Mensch sein zu dürfen.
Ein Mensch zu sein, der scheitern darf – das kann ich glaube ich auch deshalb, weil ich aus der Erfahrung lebe, schon immer geliebt zu sein (für mich ist dies ein Wort für Gott). Und weil diese Liebe, die mich umgibt, mir auch immer wieder eine neue Chance einräumen wird. Scheitern ist deshalb immer auch etwas Vorläufiges, nie das Ende von etwas, häufig der Auftakt zu Neuem (wenn auch mit Tränen).
Insofern kann ich sagen: Ja, ich bin gescheitert. Aber ich kann das (zumindest mit Abstand) fast heiter und versöhnt sagen.
Trennung als Chance zum (Teil-)Frieden
Etwas anderes ist mir aber ergänzend dazu wichtig geworden. Das Folgende habe ich im Wesentlichen (einmal mehr) von Fulbert Steffensky gelernt. Erstmals auf dem Kirchentag 2017 in Berlin bei einer Bibelarbeit von ihm über die Geschichte der Brüder Jakob und Esau. Jetzt habe ich diesen Vortrag nochmal in dem Buch „Fragmente der Hoffnung“ nachgelesen, das mir meine Mutter geschenkt hat. Bezeichnenderweise hat F. Steffensky als Widmung vorne in das Buch, um die ihn meine Mutter offenbar gebeten hat, die Worte „Nichts muss ganz gelingen.“ geschrieben.
In der Geschichte der Brüder zieht Jakob am Ende weg vom seinem Bruder. Ganz ähnlich übrigens wie schon vorher Abraham und Lot, von denen ebenfalls eine Trennungsgeschichte erzählt wird. Dort heißt es an einer Stelle wunderbar und zugleich tragisch: „Das Land konnte nicht ertragen, dass sie beieinander wohnten“. Und so trennen sie sich um den Friedens willen. Steffensky schreibt: „Es ist nicht nur die Schuld von Menschen, wenn sie nicht beieinander wohnen können. Es ist auch Tragik. Manchmal ist das Lebensland zu klein, das Menschen miteinander haben.“ Und so ist die Trennung gerade die Möglichkeit, Feindschaft zu überwinden, Schwestern und Brüder (so in dieser Geschichte) zu bleiben und zumindest einen Teilfrieden zu bewahren.
Warum nur ein Teilfrieden? Muss Versöhnung und Frieden nicht zumindest irgendwann GANZ erfolgen? Ist ein Teilfrieden etwas wert? Ja, ist er. Nicht alles im Leben gelingt ganz. Auch die Versöhnung nicht immer. Manchmal muss man mit dem, was möglich ist, einverstanden sein. Manchmal ist die Hälfte schon viel. Und so kann ein produktiver Kompromiss auch dazu beitragen, sich überhaupt im Leben von Gelingens-Zwängen zu verabschieden. Was ist mit Gelingens-Zwängen gemeint? Nochmal Steffensky: „Die ideologische Überzeugung, dass uns jederzeit alles möglich ist, das ganze Leben, die ganze Gesundheit, die ganze Ehe und eben der ganze Friede. Wir sind Fragmente, ein Leben lang und in allen Angelegenheiten.“
Vielleicht ist das die Kunst: Sowohl mit dem Scheitern als auch mit der Möglichkeit des Teil-Friedens versöhnt leben zu können. Nicht, weil es nichts Gelingendes und nichts Ganzes geben kann und darf. Aber weil wir Menschen sind und „nichts ganz gelingen muss“.
Anja Peterberns
Lieber Simon – genauso sehe ich viele Situationen in meinem Leben. Was ich früher als persönliches Scheitern und Misserfolg angesehen habe, sehe ich heute unter dem Aspekt „Alles kann, nichts muss“. Ich akzeptiere Dinge und Situationen frei nach dem Motto „Dann ist es halt so. Für irgendetwas wird es gut sein“.
Christine Wolf-Geibies
Meine Tochter hat im dritten Jahr Brustkrebs, mit 29 Jahren hat sie die Erstdiagnose bekommen, eine Nachricht, die uns den Boden unter den Füssen weggezogen hat. Sie hat viel über die Erkrankung gelesen, neben der klassischen Schulmedizin auch alternative Heilmethoden angewandt, durch die Auseinandersetzen mit Lebensgrenzen hat sie eine ganz besondere Einstellung zu ihrer Erkrankung eingenommen, wir als Familie dürfen soviel von ihr lernen, ihren Weg der leider früher enden wird, würde sie nie als Scheitern, als Trennung, als Verlieren empfinden, weil sie sich selbst als Gewinnerin sieht, Gewinnerin an Tiefgrund, an Lebenseinstellung, an Bewussteinsveränderung, als jemand, die anderen dadurch Hoffnung gibt.
Ich habe hier eine Paralle zu deiner Geschichte gesehen, eine Trennung muss kein Scheitern sein, einen Lebenskampf kann man am Ende nur gewinnen, nicht verlieren-der Perspektivwechsel bewirkt wahre Wunder. Vielen Dank für den Gedankengang. Ein Beitrag „die Hoffnung kann lesen“ gefällt mir übrigens auch ganz besonders gut von F.Steffensky. herzliche Grüße Christine
Anne Märtin
Lieber Simon,
Ich kann dich sehr gut verstehen mit dem Scheitern.
Ich wurde discarded (wie Müll entsorgt) von einem verdeckten Narzissten und fühlte mich zunächst auch als Loser, Verlierer, was habe ich falsch gemacht, dass es gescheitert ist? War ich nicht gut genug?
Ich bin Christ und wusste nichts über verdeckten Narzissmus.
Ich bin mit dieser Trennung fast verrückt geworden, ich habe Gott angefleht mir irgendwie Klarheit zu geben was da abläuft und wieso dieser Mensch wie ausgewechselt ist.
Ich habe gelernt, es ist wichtig eine Situation erstmal so zu anzunehmen wie sie ist, auch wenn es sich so sehr unfair, ungerecht und Gott verlassen anfühlt, weil etwas gescheitert ist, was man vorher nicht so erwartet hat.
Aber ich glaube, in meinem Fall, hat mir Gott ein Geschenk damit gemacht und mich vor Schlimmerem bewahrt.
Von daher fühlt es sich auch wie ein Scheitern im ersten Moment an, ich bekam die ganze Schuld zugewiesen. Durch Manipulationen fühlte ich mich auch noch schuldig, aber in Wirklichkeit wurde ich eiskalt abserviert und ausgetauscht von einem Menschen, der mich und sogar mein warmherziges christliches Leben gespiegelt hat.
Das kann man kaum fassen, aber ich fühlte, dass da etwas gewaltig falsch ist und nichts authentisch ist.
Ich bin immer noch wahnsinnig traurig darüber, dass ich so getäuscht worden bin, aber es hat mich noch mehr zu Gott geführt und letztlich auch zur Wahrheit und dafür bin ich sehr dankbar.
Also eine Trennung, so hart es klingt, kann auch eine neue Richtung auf dem richtigen Weg sein und zu etwas Gutem werden. Wenn man mit Gott weitergeht, dann wird es bestimmt gut.
Und ich bewundere Christine, im Kommentar vorher. Sie hat soviel Dankbarkeit trotz allem, wo man sagen könnte, das Leben ist nicht fair.
Liebe Grüße von Anne