Weltbezogen und mit Bodenhaftung, offen gegenüber einer Vielzahl an Alternativen und zugleich respektvoll für Grund und Boden – wie kann das aussehen? Gesucht ist eine neue Bezugsgröße, die beides verbindet. Der Glaube an die Globalisierung ist gescheitert, ein vollständiger Rückzug aufs Lokale verbietet sich.
Aus Sicht mancher Globalisierungsbefürworter sind alle anderen (auch diejenigen, die die Folgen der Globalisierung kritisch sehen) hinterwäldlerische Provinzialisten, reaktionäre Nationalisten oder antimodernistische Zu-Kurz-Gekommene. Diese Zuschreibung ist aber nicht nur einseitig verurteilend, sondern wird selbst auf einer Landkarte mit dem einzigen Vektor „Modernisierung“ der Wirklichkeit nicht gerecht. Dies zeigt schon die zunehmend schwierige Zuordnung der Kategorien „links“ und „rechts“ im politischen Spektrum. Während sich die „Linke“ in ökonomischen Frage beispielsweise eher am Lokalen orientiert und im Hinblick auf die Befreiung der Sitten eher zum Globalen tendiert, ist dies bei der „Rechten“ genau umgekehrt. Die aufs Lokale Bezogenen sind also nicht automatisch reaktionär – oder aber sie sind aus guten Gründen insofern reaktionär, als dass sie sich u.a. gegen das freie Spiel der Kräfte des Marktes zur Wehr setzen.
Wenn nun allerdings die Globalisierung zunehmend ihre negativen Züge zeigt, dann wird als Reaktion darauf auch das Lokale wieder attraktiv. Allerdings wird es das leider auch in seinen eher schattenhaften Zügen, indem es Tradition, Schutz, Identität und Gewissheit nur innerhalb nationaler oder ethnischer Grenzen verspricht („Minus-Lokales“). Was bleibt, ist ein trauriges Rest-Territorium, nachdem vom Globalisierungsprozess wenig übrig geblieben ist – das ist dann das Polen von Kaczynski, das Italien der Lega Nord, das Großbritannien des Brexits und das Deutschland in den Vorstellungen der AfD. Die Attraktivität dieses Pols („Minus-Lokales“) ergibt sich eben auch durch das Scheitern des globalen Projekts. Beide Pole haben sich inzwischen aber so weit voneinander entfernt, dass Positionen der Mitte kaum noch vorkommen oder auch aufgrund der schwieriger werdenden Zuordnung von „links“ und „rechts“ gar nicht mehr richtig in die Landkarte einzutragen sind. Der veränderte Tonfall oder gänzliche Ausfall dieser Kommunikation, die weniger werdenden Optionen von moderaten Positionen im Sinne von einem Austarieren zwischen lokalen und globalen Aspekten bezeichnen politische Kommentatoren heute häufig als als „Verrohung“ der Diskussion.
In dieser Situation, in der sich die beiden Attraktoren „Global“ und „Lokal“ weitesgehend voneinander entfernt haben, braucht es einen neuen Fixpunkt oder eine neue Idee, die beides in neuer Weise vereinen kann. Bevor Bruno Latour seine eigene Idee dazu vorstellt, kann diese Beschreibung der gegenwärtigen Situation vielleicht auch den Erfolg von Leuten wie Donald Trump (bei Latour heißt er „Der große Schwindler“, „Der große Clown“ u.ä.) erklären. Er steht dabei auch nur stellvertretend für eine spezifische Weltsicht und einen bestimmten Umgang mit den Ressourcen der Erde. Trumps Stil ist zusagen die Kehrseite des Modells, das Latour anschließend propagiert. Über das bisherige Maß der Globalisierung noch hinaus radikalisiert Trump die Idee der Maximierung der Profite („Minus-Globalisierung“) und verbindet dies mit der nationalistischen Komponente des Schutzes des eigenen Volks durch Abschottung („Minus-Lokales“). „Make America great again“ hinter einer neu errichteten Mauer. Dass man mit dieser Vorgehensweise Wahlen gewinnen kann, zeigt sich wiederum weltweit.
Dass Bruno Latour nach etwas Anderem sucht, dürfte inzwischen deutlich geworden sein. Die Frage ist, was attraktiv genug sein könnte und zugleich die positiven Aspekte von Lokalem und Globalen aufnehmen kann.
(Dieser Artikel ist Teil einer Serie. Hier findet sich Teil 1.)
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