Die Zeichen der Zeit und das globale Schlamassel

Alle reden übers Klima. Über Johnson und Trump. Unsere verrückte Welt. Und wie es weiter gehen soll. In den vergangenen fünf Tagen haben wir das auch getan. Aber auf ganz andere Weise als sonst häufig. Darüber will ich kurz erzählen.

Das Format „Con:Fusion“ haben wir nun zum dritten Mal in fünf Jahren ausprobiert. Jedes mal war es (wo)anders, jedes mal war es gut. In diesem Jahr waren wir auf dem Lindenhof in Hemmersheim. Das war eine ziemlich gute Wahl, denn der ökologische Ansatz des Hofes vertrug sich gut mit unserem Thema. Gemeinsam wollten wir danach fragen, wie wir als Christen in diesen Zeiten ein neues Verhältnis zu unserer Erde entwickeln können. Wie sich eine widerstandsfähige Spiritualität entfalten kann, die in diesen Zeiten trägt. Wie wir selbst hoffnungsvolle Worte in diese Welt sprechen können und von welchen fremden Worten wir noch lernen können.

Die Tage waren so reich gefüllt mit Gesprächen, Kurzvorträgen von Leuten aus unserer Mitte, Lesegruppen, Übungen, Zeiten des Gebets am Morgen, Mittag und Abend und einem für mich ganz bewegenden Gottesdienst zum Abschluss heute, so dass das Ganze unmöglich zusammengefasst werden kann. Manches werden wir nach und nach sicher noch veröffentlichen und zudem soll an den begonnenen Themen weitergearbeitet werden, aber von einigen wenigen Highlights will ich berichten.

Ein Strang, der die Tage durchzog, waren Übungen aus tiefenökologischer Perspektive. Der Vier-Schritt „Dank – Schmerz – Perspektivwechsel – Handeln“ von Joanna Macy hat dabei unsere Tage strukturiert. Ein Beispiel für eine Übung („Perspektivwechsel“) war beispielsweise, dass wir in Rollenspielen Dialoge mit fiktiven Menschen der siebten Generation nach uns geführt haben. Mir hat der Einstieg in dieses Denken geholfen, nicht nur ein neues Verständnis, sondern auch ein neues Ein-Fühlen in unsere menschliche Rolle als Teil dieses einen Planeten Erde zu bekommen – eines lebendigen Organismus, von dem wir ein Teil sind. Und das – für die Skeptiker unter euch – ganz ohne in esoterische Baum-Umarmungs-Rituale verfallen zu müssen. Dazu haben uns Texte von Bruno Latour („Das terrestrische Manifest“ von ihm hatte ich ja hier auf dem Blog schon ausführlich besprochen), Ulrich Beck u.a. beschäftigt.

alle Fotos von Peter Aschoff

In einem Gespräch, in dem es um den Schmerz ging, kamen wir auf das Gleichnis vom barmherzigen Samariter zu sprechen. Und ich kam auf die Idee, diese Geschichte noch einmal neu zu schreiben.

Und einer stand auf und fragte:
„Was kann ich tun, damit es weitergeht? Wie wird alles gut werden? Werden wir leben?“
Und er hörte: „Wie liest du die Zeichen der Zeit?
Und was ist dir schon lange gesagt?“
Und er sagte: „Ich soll lieben. Mich und alles, was mir so nahe ist.“
Und er hörte: „Ja. Denn wenn du liebst, wirst du leben.“
Und er sagte: „Wer ist mir nahe? Was ist mir nahe?“
Und er hörte:

 
„Die Erde fiel unter die Räuber.
Da lag sie: geschlagen, geschunden, mit Wunden.
Die ersten, die es sahen, gingen vorüber.
Andere kamen. Wandten den Blick ab.
Aber einen, der es sah,
einen, der sie sah,
den jammerte.
Er kam ihr nah. Sah ihre Wunden.
Er tat, was er konnte.
Er gab, was er hatte.
Ohne Wissen, ob reichen würde, was er tat.
Ohne Wissen, was werden würde.“
 
Er aber, der gefragt hatte, der wusste, was nun folgte.
Wusste, was nun er gefragt, nachdem er gehört.
Und wusste auch seine Antwort.
Wenn du liebst, dann wirst du leben.

Schön an diesen Tagen war, dass wir hoffnungsvoll nach Hause gefahren sind. Die Beschäftigung mit der Klimakrise kann ja auch lähmen bei all den Schreckensmeldungen, die auf uns zukommen. Damit ist aber niemandem geholfen. Umweltschutz, konkrete Maßnahmen, Demos, praktisches Umdenken – all das ist wichtig und nötig. Noch mehr als das scheint mir aber ein Perspektivwechsel über unser Verhältnis zur Natur/Schöpfung/Erde/Gaia (man wähle ein Wort seiner Wahl) hilfreich zu sein: Natur nicht nur als Kulisse für schöne Spaziergänge etc. sondern wir als Teil dieses einzigartigen Organismus Erde, die in Zeiten des Anthropozän (dem ersten Zeitalter, in dem die Menschheit mit ihrem Handeln direkte Auswirkungen auf biologische und geologische Prozesse hat) dazu führt, dass die Erde selbst zum Akteur auf der politischen Bühne wird (Latour).

Weggemeinschaft und Gespräche, die meinen Blick geweitet haben.
Wunderbare Gebete aus Iona und Lieder aus Taize.
Predigt-Slam, „Viral oder Egal“ und Rilke.
Sonnenstrahlen, leckeres Essen vom Bio-Hof und Kinder.
Spielen. Abendmahl. Kunstprojekt. Und Lachen.

All das nehme ich mit vom Con:Fusion 2019. Und freue mich auf 2021.

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2 Kommentare

  1. Marion

    Danke, Simon, Du bringst auch meine Eindrücke als Teilnehmerin (zum ersten und sicher nicht zum letzten Mal) auf den Punkt. Oder gerade nicht auf den Punkt, weil sie so vielfältig/vielschichtig sind! Gutes Format, wichtige Themen, wunderbare Menschen.

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