Heute war DER BRIEF in der Post. Im Briefkasten von Pellumb, Linditha und ihrer Tochter Arensa. Genau an dem Tag, an dem Linditha für ihr Bewerbungsgespräch üben wollte.
Arensa konnte schon nach kurzer Zeit deutsch. Inzwischen ist sie Klassenbeste. Jeder auf dem Schulhof kennt sie. Sie ist sehr beliebt. Sie lacht viel. Beim Krippenspiel wollte sie gerne mitmachen. Hat sogar einem anderen Flüchtlingskind geholfen, das gar kein Deutsch konnte. In sechs Wochen wurde sie von einer Nichtschwimmerin zur Freischwimmerin. Sie ist im Sportverein. Sie hat viele Freundinnen.
DER BRIEF ist eindeutig. Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt. Sicheres Herkunftsland Albanien.
Pellumb arbeitet nachts in der Bäckerei. Backt Brötchen. Für uns und andere Nordhorner. Eigentlich hat er etwas anderes gelernt. Aber er will arbeiten. Auch er hat beim Krippenspiel mitgemacht. Als Weiser aus dem Morgenland. Das passt zu ihm – er hat so etwas Gütiges, Verständiges. Von allen Schauspielern hatte er den meisten Text. Jedes deutsche Wort hat er gelernt, obwohl es ihm schwer fiel. Er hat es sehr gut gemacht. Mir hat er erzählt, dass er sich wünscht, dass seine Tochter getauft wird.
DER BRIEF erzählt noch einmal Pellumbs Geschichte: Die Armut der Familie. Die Perspektivlosigkeit. Keine Aussicht auf Zukunft. Für sich selbst. Für Arensa. Die Korruption im Land. Das Bestechungsgeld, das sie nicht haben. Nicht zahlen können. Und nicht zahlen wollen.
Linditha putzt. Schon in der Obdachlosenunterkunft, in der sie zuerst untergebracht waren. Nie hat man diese Unterkunft so sauber gesehen. Und sie geht putzen, wo sie kann. Auch sie will arbeiten. In der Pflege. Das hat sie gelernt. Und Deutschland braucht doch Pflegepersonal. Sie würde gerne und sie kann es. Sie kommt mit ihrer Familie nicht nur zum Flüchtlingscafé. Auch in den Gottesdiensten sind sie da. Und immer finden sie etwas, wo sie helfen können. Beim Aufräumen, beim Putzen, beim Spülen.
DER BRIEF beschreibt die Gesetzeslage eindeutig. Wer nicht schwer krank ist, wer nicht wegen Blutrache verfolgt wird, der geht zurück. Wahrscheinlich ist das Gesetz sogar richtig. So ganz allgemein gesagt.
Blöd nur, dass wir Pellumb und Linditha und Arensa nun kennen. Und lieb gewonnen haben. Und ahnen, was sie erwartet. Und dass wir den leeren Blick in ihren Gesichtern aushalten müssen. Und die Tränen, die ihnen kommen. Und uns kommen. Ihr seid meine Freunde geworden, hat Pellumb heute abend gesagt.
DER BRIEF gibt nicht viel Zeit. Innerhalb einer Woche müssen alle Zelte abgebrochen sein. Das ist wirklich nicht viel Zeit. Vor allem nicht für die Seele.
Pellumb, Linditha und Arensa sind ein Geschenk für uns gewesen. Sie wären ein Geschenk für Deutschland gewesen.
Unsere deutschen Kids beim Flüchtlingscafé haben das mitbekommen mit DEM BRIEF. Und da haben sie einen eigenen Brief geschrieben. Er hebt den ersten Brief nicht auf. Aber vielleicht, so denke ich heute abend, sollte jeder, der einen ersten Brief bekommt, auch einen zweiten bekommen. Solch einen. Wenigstens das.
Felix
Die Gesetze sollten für den Menschen gemacht sein, nicht umgekehrt. DER BRIEF verspottet alle Anstrengungen, die die Familie unternommen hat, um sich zu integrieren – mit Jobs, denen die meisten Einheimischen, inbesondere die jüngeren, schon länger nichts mehr abgewinnen können. Schön auch die Bilder von der Aufführung des Krippenspiels, in den Gesichtern findet sich viel menschliche Wärme, bewundernswert auch das frühe Engagement der Familie.
Es schmerzt, wenn Ewiggestrige eine Unterkunft in Brand setzen – diese Abschiebung macht wütend, traurig und lässt im Unglauben zurück.
Ich wünsche der Familie für ihre Zukunft alles erdenklich Gute und für ihren wiederholten Neustart mehr Gerechtigkeit, als sie ihr hier in Deutschland widerfahren ist. Es wird viel von Integration geredet – beschämend, das wir sie nicht immer erkennen und auch anerkennen.