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Verflüssigung von Kirche

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In der Kirche gelten häufig klare Grenzen: Entweder du bist Mitglied in der Kirche oder du bist es nicht. Und an diesem Status hängen dann auch Folge-Fragen: Entweder darfst du Pat*in bei der Taufe des Kindes deiner besten Freundin sein oder eben nicht. Entweder darfst du deine*n konfessionslose*n Partner*in kirchlich heiraten oder nicht. Entweder darfst du zum Abendmahl kommen oder nicht. Bei deiner eigenen Bestattung kannst du Glück haben, falls du eine*n Pastor*in findest, der da mal ne Ausnahme macht. Klare Regeln. Klare Grenzen. So haben wir Kirche organisiert – als eine Art Club mit Vorteilen für die Clubmitglieder. 

Wenn wir uns in diesen Zeiten darin ausprobieren, alte Paradigmen, Logiken und Selbstverständlichkeiten von Kirche in Fragen zu stellen, ggf. sogar hinter uns zu lassen und neue Räume zu betreten, dann bietet das auch die Möglichkeit, Grenzen dieser Art zukünftig zu vermeiden und neue Rollenverständnisse einzuüben (die „neuen Räume“ könnt ihr im Folgenden metaphorisch oder konkret denken, das ist egal).

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Rassismus (Teil 10) – Rassismus gegen Weiße

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„Ja, aber: Es gibt ja auch Rassismus gegen Weiße!“

Vielleicht ist die eine oder der andere inzwischen schon genervt von diesen ganzen Beiträgen hier: „Immer sind wir Weißen die Bösen! Oder zumindest diejenigen, die was lernen müssen. Aber wir brauchen ja nur nach Afrika fahren und dann ist es genau anders herum!“

Früher oder später kommt bei den meisten von uns dieser Impuls auf. Vielleicht ist er sogar verständlich, denn an der eigenen rassistischen Prägung zu arbeiten ist anstrengend. Bevor wir einen Blick darauf werfen, ob es so etwas wie Rassismus gegen Weiße geben kann, lohnt ein Blick auf dieses typische Reaktionsmuster.

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Rassismus (Teil 9) – Blackfacing

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Blackfacing ist rassistisch.

Ich schreibe das so deutlich, weil es gerade hier in der Nähe zu den Niederlanden im Hinblick auf den sog. „Schwarzen Piet“ offenbar immer noch akzeptabel ist, die Tradition gegenüber „Sensibilitäten von Minderheiten“ zu verteidigen.

Morgen ist Dreikönigstag. Auch bei den Sternsingern gab es lange die Tradition, ein Kind gelb und eins schwarz anzupinseln, um die verschiedenen Erdteile darzustellen. In den letzten Jahren ist diese Praxis zurecht in die Kritik geraten.

Was ist das Problem damit, Gesichter schwarz anzumalen?

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Rassismus (Teil 8) – Sprache

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Sprache ist ein entscheidender Faktor im Kampf gegen Rassismus (auch dem Rassismus in uns). Sprache ist überhaupt ein entscheidender Faktor im Blick auf die Welt.

Die Gender-Debatte hat das deutlich gemacht. Der Satz „Der Arzt trat an das Bett des Patienten.“ wird bei den meisten von uns ein inneres Bild mit zwei männlichen Personen entstehen lassen. Vermutlich übrigens mit zwei weißen männlichen Personen. Deshalb bemühe ich mich, seit einiger Zeit das *-Sternchen zu verwenden. Es ist der Versuch, alle Geschlechter sprachlich mitzudenken. Das Sternchen ist etwas holprig im Sprachbild und vielleicht gibt es schon jetzt oder irgendwann später bessere Lösungen, aber es ist allemal besser, als in männlich dominierten Weltbildern steckenzubleiben. Sprache verändert Denken.

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Rassismus (Teil 7) – Mikroagressionen

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Mit mir kann man super in Skandinavien Urlaub machen. In einer beliebigen Gruppe von Menschen werde garantiert ICH als allererster von jeder anwesenden Mücke gestochen werden. Dieses nicht beneidenswerte Persönlichkeitsmerkmal habe ich an meine Töchter weitervererbt. Ich hoffe, sie werden noch lange mit mir Urlaub machen. So verteilt sich das Leid.

Diese Erfahrung also habe ich manchen anderen Menschen voraus, die nur hin und wieder mal von einer Mücke gestochen werden. Deshalb hat mir folgendes Video so eingeleuchtet:

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Rassismus (Teil 6) – White fragility

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Happyland ist das Land, in dem es sich weiße Menschen ein wenig gemütlich gemacht haben. Man profitiert selbst und fühlt sich noch gut dabei. Alles gar nicht mal unbedingt bewusst, um anderen zu schaden, sondern vielleicht aus einer Mischung aus Gewohnheit, Trägheit, Blindheit für das Offensichtliche und noch manch anderem. Besonders betroffen und gefährdet sind hier diejenigen, die sich selbst für weltoffen/liberal/links und Rassismus für etwas halten, das ganz weit weg von Ihnen geschieht. Selbstverständlich aber nicht im eigenen Happyland – da hatten wir ja schon einen Blick drauf geworfen.

Ein entscheidender Faktor, dass dieses Leben im Happyland so gut funktioniert, ist seine Grenzschutz-Polizei. Sie steht im Bild für das, was in der Rassismus-Debatte auch als „white fragility“ (weiße Zerbrechlichkeit) bezeichnet wird. Gemeint ist damit eine mehr oder weniger starke Abwehrhaltung, die beinahe automatisch einsetzt, wenn das Thema Rassismus uns zu nahe rückt.

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Rassismus (Teil 5) – Happyland

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Die Autorin Tupoka Ogette (Autorin von „Exit Racism“) hat ein Bild in die Debatte eingeführt, das ich sehr eindrücklich finde und Euch heute einmal vorstellen möchte. Es geht um das sogenannte Happyland.

Was ist mit diesem Happyland gemeint, das ein wenig nach sorgenfreiem Vergnügungspark klingt und in gewisser Hinsicht vielleicht sogar auch ist? Ogette versteht darunter genau den Bewusstseinszustand, in dem sich weiße Menschen befinden, bevor sie sich aktiv mit Rassismus als System und der eigenen rassistischen Sozialisierung auseinandergesetzt haben.

Stellen wir uns dieses Land einmal so vor, wie ich manche Communities in weißen Vorstädten der USA kennengelernt habe: Mit blickdichten Mauern, die schwer zu überwinden sind und mit einem Wachdienst, der als eine Art Grenzschutz agiert.

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Rassismus (Teil 4) – White Privilege

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Zu den überraschenden Einsichten von jemandem wie mir, der gerade erst angefangen hat, sich mit Rassismus wirklich ernsthaft auseinanderzusetzen, gehört folgende Erkenntnis: Ich bin weiß. Also nicht, dass mir das beim Blick in den Spiegel noch nie aufgefallen wäre, aber um ehrlich zu sein, habe ich mich noch nie damit auseinandergesetzt, was genau das bedeutet. Warum nicht? Weil ich nicht dazu gezwungen und herausgefordert war. Schlichtweg: Weil ich zufällig Teil der Mehrheitsgesellschaft bin.

Das geht BiPoC (Black, Indigenous and People of Color) in Deutschland nun quasi täglich anders. Immer wieder ist ihre Hautfarbe Thema. Und nicht nur das – sondern sie führt zu handfesten Nachteilen und Diskriminierungen im Alltag.

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Rassismus (Teil 3) – Geschichte ist nicht obsolet

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Wer sich mit Rassismus beschäftigt, kommt nicht ganz umhin, sich auch mit dessen Geschichte zu beschäftigten. Menschen wie Dieter Nuhr verzichten darauf. Er schreibt: „So wie ICH den Begriff Rassismus verwende, wird er im Umgangssprachlichen verwendet, und das ist die Sprache, die ich auf der Bühne spreche. Für die akademische Umdefinition des Rassismus-Begriffes plötzlich Allgemeingültigkeit zu fordern, ist leider typisch für den ideologisierten akademischen Prozess.“

Mit den Akademiker*innen meint er vermutlich Alice Hasters, Tupoka Ogette u.a., die in den vergangenen Jahren darauf aufmerksam gemacht haben, dass der in Deutschland im Allgemeinen Verwendung findende Rassismus-Begriff eben gerade nicht ausreichend ist, sondern auch in seiner Entstehungsgeschichte verstanden werden muss. Gerade wir Deutschen müssten ja wissen, dass wir Begriffe nicht einfach nach eigenem Gutdünken neu definieren können, sondern diese immer auch in ihrem historischen Kontext zu betrachten sind. Deshalb ein kurzer Ausflug in die Geschichte des Rassismus in Stichworten, der vermutlich bei den Wenigsten von uns Inhalt des Schul-Unterrichts gewesen ist:

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Rassismus (Teil 2) – Doch nicht in Deutschland!

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„Rassismus ist ja bei uns jetzt nicht so das große Problem wie zum Beispiel in den USA. Und wenn, dann sind es ja die Nazis, die rassistisch sind. Und mit denen hab ich nichts zu tun.“

Das eigentliche Problem im Hinblick auf strukturellen Rassismus sind aber nicht die Nazis, die AfD und Donald Trump, sondern aufgeklärte, progressive und liberale Menschen wie du und ich, die Rassismus jederzeit öffentlich brandmarken würden. Das zumindest sagt Robin DiAngelo (Autorin von „Wir müssen über Rassismus sprechen“): Progressive Weiße, politisch eher links, mit BiPoC (Black, Indigenous and People of Color) im Freundeskreis, richten ihrer Meinung nach zurzeit den größten Schaden an.

Warum ist das so?

Insbesondere in Deutschland verbinden wir den Begriff Rassismus vor allem mit der politisch extremen Rechten. „Nazis sind Rassisten!“ – darauf kann man sich schnell einigen. Björn Höcke darf so genannt werden, erlaubt uns ein Dresdner Politikwissenschaftler. Aber dann hört es auch schon auf. Das Problem dabei ist: Wir reduzieren damit das Phänomen „Rassismus“ auf eine Gruppe von Menschen, die für uns Aufgeklärte/Linke/Progressive maximal weit entfernt ist. Wir haben dann damit nichts mehr zu tun. Wir können brandmarken, aber müssen uns selbst nicht hinterfragen. Wir können mit dem Finger auf andere zeigen, aber nicht auf uns selbst.

Ein zusätzliches Problem: Wenn wir nur auf einzelne Menschen oder Gruppen von Menschen zeigen, die wir für rassistisch halten, verschießen wir damit die Augen vor dem, was sich struktureller oder institutioneller Rassismus nennt. Damit ist gemeint: Ganz unabhängig davon, ob einzelne Menschen absichtsvoll rassistisch denken/reden/handeln, gibt es eine innere Logik in den Institutionen unserer Gesellschaft, in ihren Gesetzen und Normen, die Rassismen voraussetzt, begünstigt, weitertradiert. Unser gesellschaftliches Miteinander ist zum Teil so organisiert, dass es die Angehörigen der eigenen Gruppe systematisch gegenüber den Nicht-Dazugehörigen privilegiert. In verschiedensten gesellschaftlichen Feldern wie bei politischer Beteiligung, im Bildungssystem, auf dem Arbeitsmarkt, auf dem Wohnungsmarkt oder auch in der Kirche lässt sich dies ziemlich schnell beobachten, sobald man die Augen dafür aufmacht und Menschen zuhört, die als BiPoC eigene Erfahrungen dazu gemacht haben.

Manche dieser und noch folgender Gedanken stammen aus diesem hörenswerten Beitrag von Kokutekeleza Musebeni und Esther Distelmann:

https://www.br.de/mediathek/podcast/zuendfunk-generator/white-fragility-warum-weisse-rassismus-so-leicht-uebersehen/1806480

Dieser Beitrag ist Teil einer Reihe über Rassismus. Hier findest du die anderen Beiträge:

Teil 1: Zuhören als Grundvoraussetzung
Teil 3: Geschichte ist nicht obsolet
Teil 4: White Privilege
Teil 5: Happyland
Teil 6: White fragility
Teil 7: Mikroaggressionen