Die Autorin Tupoka Ogette (Autorin von „Exit Racism“) hat ein Bild in die Debatte eingeführt, das ich sehr eindrücklich finde und Euch heute einmal vorstellen möchte. Es geht um das sogenannte Happyland.

Was ist mit diesem Happyland gemeint, das ein wenig nach sorgenfreiem Vergnügungspark klingt und in gewisser Hinsicht vielleicht sogar auch ist? Ogette versteht darunter genau den Bewusstseinszustand, in dem sich weiße Menschen befinden, bevor sie sich aktiv mit Rassismus als System und der eigenen rassistischen Sozialisierung auseinandergesetzt haben.

Stellen wir uns dieses Land einmal so vor, wie ich manche Communities in weißen Vorstädten der USA kennengelernt habe: Mit blickdichten Mauern, die schwer zu überwinden sind und mit einem Wachdienst, der als eine Art Grenzschutz agiert.

Happyland existiert zum einen – man muss es so deutlich sagen – damit Menschen von der Ausbeutung anderer Menschen wirtschaftlich, politisch und sozial profitieren. Und es existiert zum zweiten, damit sich die Menschen in diesem Land dabei noch gleichzeitig gut fühlen können. Letztlich geht es um die Erhaltung des positiven Selbstbildes. Und genau dafür braucht es auch die blickdichten Mauern. Denn die sind nicht nur wichtig, um unliebsame Eindringlinge abzuwehren, sondern vor allem auch, um die Welt draußen und die Auswirkungen der eigenen Lebenspraxis auf den Rest der Welt nicht allzu deutlich in den Blick zu bekommen. Denn wie soll man sonst auf Dauer mit der Erkenntnis klarkommen, dass uns unser Rassismus seit über 300 Jahren in den Knochen steckt und ganz konkrete Auswirkungen auf das Leben von Menschen in unserem unmittelbaren Umfeld und der ganzen Welt hat?

Die Massivität dieser Mauern unseres Bewusstseinszustandes sind nicht so ganz ohne. Es ist ausgesprochen anstrengend, sie zu überwinden. Das liegt daran, dass wir alle schon von klein auf mit ihnen aufgewachsen sind. Rassistisches Denken steckt nicht nur unserer Gesellschaft sein langem in den Knochen, sondern auch uns selbst – vom Beginn unseres Lebens an. Schon in der Art, wie ich denken und sprechen gelernt habe, bin ich rassistisch sozialisiert. Durch die Kinderbücher, die mir vorgelesen und vorgelegt wurden, bin ich rassistisch sozialisiert. Durch die Fernsehsendungen, die ich gesehen habe, bin ich rassistisch sozialisiert. Durch die Schulbücher, die mir zur Verfügung gestellt wurden, bin ich rassistisch sozialisiert. Einfach nur, weil ich in dieser Welt groß geworden bin, steckt auch mir Rassismus in den Knochen.

Ich bin ziemlich sicher: Niemand hat es böse gemeint. Und es geht auch gar nicht darum, irgendjemandem Schuld zuzuweisen. Sondern es geht darum, dass ich selbst beginne zu erkennen, dass das so ist und dass wir als Gesellschaft beginnen, uns konstruktiv darüber aufzuklären.

Und dazu gehört auch anzuerkennen, dass wir lange Zeit (und ich meine: lange genug) in diesem Happyland verbracht haben. Dieses Land hat nicht nur unser aller rassistische Sozialisation kultiviert, sondern zugleich noch dafür gesorgt, dass das Augenscheinliche passiert ist und wir es noch nicht einmal bemerkt haben. Zeit dafür, sich wie Ivy in „The village“ oder Truman in der „Truman Show“ an die Grenzen unserer bisherigen kleinen Welt zu wagen und Mauern zu überwinden. Aber Vorsicht mit der Grenzschutzpolizei – um die geht es dann im nächsten Beitrag.

„Exit Racsim“ von T. Ogette kannst Du Dir übrigens frei zugänglich z.B. auf spotify anhören:

Dieser Beitrag ist Teil einer Reihe über Rassismus. Hier findest du die anderen Beiträge:

Teil 1: Zuhören als Grundvoraussetzung
Teil 2: Doch nicht in Deutschland!
Teil 3: Geschichte ist nicht obsolet
Teil 4: White Privilege
Teil 6: White fragility
Teil 7: Mikroaggressionen