Alle Artikel mit dem Schlagwort ‘Rassismus

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Rassismus (Teil 11) – Repräsentation

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Zeit, nach etwa einem Jahr diese Reihe fortzusetzen. Ich hab ja auch in den Beiträgen zuvor immer versucht, von mir zu erzählen. Von der Entdeckung eigener rassistischer Muster, von blinden Flecken und vom Versuch, auch in meinen Kontexten (z.B. der Kirche, in der ich arbeite) einen neuen Blick einzuüben, auf BIPoC zu hören, von ihnen zu lernen und an den Stellen, an denen mir Dinge auffallen, möglichst mutig zu sein und diese anzusprechen.

Um es gleich vorweg zu sagen: Es könnte besser laufen. Einige Dinge sind mir gelungen. An anderen Stellen hab ich geschwiegen und mich anschließend geschämt. Warum ist das so? Zuerst einmal und immer noch: Weil ich es mir als weißer Mann schlichtweg leisten kann. Ich hab ne Menge Privilegien und ich kann mir überlegen, ob ich gerade genug Lust und Kraft habe für Auseinandersetzungen, die unangenehm sind. Meistens ist mir dann schnell bewusst, dass allein das schon so ungerecht ist, dass BIPoC genau diesen Luxus eben nicht haben. Aber manchmal denke ich auch insgeheim: Diesen Kampf erspare ich mir jetzt mal gerade. Naja, und dann ist es auch so, dass ich immer noch am Anfang eines Lernprozesses bin. Manchmal vergesse ich das und fühl mich wie so ein Antirassismus-Experte, weil ich ein paar Blog-Posts zum Thema geschrieben habe, aber die Wahrheit ist: Mir fallen manchmal selbst die Klassiker des Alltagsrassismus immer noch nicht auf.

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Rassismus (Teil 10) – Rassismus gegen Weiße

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„Ja, aber: Es gibt ja auch Rassismus gegen Weiße!“

Vielleicht ist die eine oder der andere inzwischen schon genervt von diesen ganzen Beiträgen hier: „Immer sind wir Weißen die Bösen! Oder zumindest diejenigen, die was lernen müssen. Aber wir brauchen ja nur nach Afrika fahren und dann ist es genau anders herum!“

Früher oder später kommt bei den meisten von uns dieser Impuls auf. Vielleicht ist er sogar verständlich, denn an der eigenen rassistischen Prägung zu arbeiten ist anstrengend. Bevor wir einen Blick darauf werfen, ob es so etwas wie Rassismus gegen Weiße geben kann, lohnt ein Blick auf dieses typische Reaktionsmuster.

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Rassismus (Teil 9) – Blackfacing

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Blackfacing ist rassistisch.

Ich schreibe das so deutlich, weil es gerade hier in der Nähe zu den Niederlanden im Hinblick auf den sog. „Schwarzen Piet“ offenbar immer noch akzeptabel ist, die Tradition gegenüber „Sensibilitäten von Minderheiten“ zu verteidigen.

Morgen ist Dreikönigstag. Auch bei den Sternsingern gab es lange die Tradition, ein Kind gelb und eins schwarz anzupinseln, um die verschiedenen Erdteile darzustellen. In den letzten Jahren ist diese Praxis zurecht in die Kritik geraten.

Was ist das Problem damit, Gesichter schwarz anzumalen?

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Rassismus (Teil 8) – Sprache

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Sprache ist ein entscheidender Faktor im Kampf gegen Rassismus (auch dem Rassismus in uns). Sprache ist überhaupt ein entscheidender Faktor im Blick auf die Welt.

Die Gender-Debatte hat das deutlich gemacht. Der Satz „Der Arzt trat an das Bett des Patienten.“ wird bei den meisten von uns ein inneres Bild mit zwei männlichen Personen entstehen lassen. Vermutlich übrigens mit zwei weißen männlichen Personen. Deshalb bemühe ich mich, seit einiger Zeit das *-Sternchen zu verwenden. Es ist der Versuch, alle Geschlechter sprachlich mitzudenken. Das Sternchen ist etwas holprig im Sprachbild und vielleicht gibt es schon jetzt oder irgendwann später bessere Lösungen, aber es ist allemal besser, als in männlich dominierten Weltbildern steckenzubleiben. Sprache verändert Denken.

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Rassismus (Teil 7) – Mikroagressionen

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Mit mir kann man super in Skandinavien Urlaub machen. In einer beliebigen Gruppe von Menschen werde garantiert ICH als allererster von jeder anwesenden Mücke gestochen werden. Dieses nicht beneidenswerte Persönlichkeitsmerkmal habe ich an meine Töchter weitervererbt. Ich hoffe, sie werden noch lange mit mir Urlaub machen. So verteilt sich das Leid.

Diese Erfahrung also habe ich manchen anderen Menschen voraus, die nur hin und wieder mal von einer Mücke gestochen werden. Deshalb hat mir folgendes Video so eingeleuchtet:

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Rassismus (Teil 5) – Happyland

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Die Autorin Tupoka Ogette (Autorin von „Exit Racism“) hat ein Bild in die Debatte eingeführt, das ich sehr eindrücklich finde und Euch heute einmal vorstellen möchte. Es geht um das sogenannte Happyland.

Was ist mit diesem Happyland gemeint, das ein wenig nach sorgenfreiem Vergnügungspark klingt und in gewisser Hinsicht vielleicht sogar auch ist? Ogette versteht darunter genau den Bewusstseinszustand, in dem sich weiße Menschen befinden, bevor sie sich aktiv mit Rassismus als System und der eigenen rassistischen Sozialisierung auseinandergesetzt haben.

Stellen wir uns dieses Land einmal so vor, wie ich manche Communities in weißen Vorstädten der USA kennengelernt habe: Mit blickdichten Mauern, die schwer zu überwinden sind und mit einem Wachdienst, der als eine Art Grenzschutz agiert.

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Rassismus (Teil 4) – White Privilege

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Zu den überraschenden Einsichten von jemandem wie mir, der gerade erst angefangen hat, sich mit Rassismus wirklich ernsthaft auseinanderzusetzen, gehört folgende Erkenntnis: Ich bin weiß. Also nicht, dass mir das beim Blick in den Spiegel noch nie aufgefallen wäre, aber um ehrlich zu sein, habe ich mich noch nie damit auseinandergesetzt, was genau das bedeutet. Warum nicht? Weil ich nicht dazu gezwungen und herausgefordert war. Schlichtweg: Weil ich zufällig Teil der Mehrheitsgesellschaft bin.

Das geht BiPoC (Black, Indigenous and People of Color) in Deutschland nun quasi täglich anders. Immer wieder ist ihre Hautfarbe Thema. Und nicht nur das – sondern sie führt zu handfesten Nachteilen und Diskriminierungen im Alltag.

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Rassismus (Teil 3) – Geschichte ist nicht obsolet

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Wer sich mit Rassismus beschäftigt, kommt nicht ganz umhin, sich auch mit dessen Geschichte zu beschäftigten. Menschen wie Dieter Nuhr verzichten darauf. Er schreibt: „So wie ICH den Begriff Rassismus verwende, wird er im Umgangssprachlichen verwendet, und das ist die Sprache, die ich auf der Bühne spreche. Für die akademische Umdefinition des Rassismus-Begriffes plötzlich Allgemeingültigkeit zu fordern, ist leider typisch für den ideologisierten akademischen Prozess.“

Mit den Akademiker*innen meint er vermutlich Alice Hasters, Tupoka Ogette u.a., die in den vergangenen Jahren darauf aufmerksam gemacht haben, dass der in Deutschland im Allgemeinen Verwendung findende Rassismus-Begriff eben gerade nicht ausreichend ist, sondern auch in seiner Entstehungsgeschichte verstanden werden muss. Gerade wir Deutschen müssten ja wissen, dass wir Begriffe nicht einfach nach eigenem Gutdünken neu definieren können, sondern diese immer auch in ihrem historischen Kontext zu betrachten sind. Deshalb ein kurzer Ausflug in die Geschichte des Rassismus in Stichworten, der vermutlich bei den Wenigsten von uns Inhalt des Schul-Unterrichts gewesen ist:

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Rassismus (Teil 2) – Doch nicht in Deutschland!

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„Rassismus ist ja bei uns jetzt nicht so das große Problem wie zum Beispiel in den USA. Und wenn, dann sind es ja die Nazis, die rassistisch sind. Und mit denen hab ich nichts zu tun.“

Das eigentliche Problem im Hinblick auf strukturellen Rassismus sind aber nicht die Nazis, die AfD und Donald Trump, sondern aufgeklärte, progressive und liberale Menschen wie du und ich, die Rassismus jederzeit öffentlich brandmarken würden. Das zumindest sagt Robin DiAngelo (Autorin von „Wir müssen über Rassismus sprechen“): Progressive Weiße, politisch eher links, mit BiPoC (Black, Indigenous and People of Color) im Freundeskreis, richten ihrer Meinung nach zurzeit den größten Schaden an.

Warum ist das so?

Insbesondere in Deutschland verbinden wir den Begriff Rassismus vor allem mit der politisch extremen Rechten. „Nazis sind Rassisten!“ – darauf kann man sich schnell einigen. Björn Höcke darf so genannt werden, erlaubt uns ein Dresdner Politikwissenschaftler. Aber dann hört es auch schon auf. Das Problem dabei ist: Wir reduzieren damit das Phänomen „Rassismus“ auf eine Gruppe von Menschen, die für uns Aufgeklärte/Linke/Progressive maximal weit entfernt ist. Wir haben dann damit nichts mehr zu tun. Wir können brandmarken, aber müssen uns selbst nicht hinterfragen. Wir können mit dem Finger auf andere zeigen, aber nicht auf uns selbst.

Ein zusätzliches Problem: Wenn wir nur auf einzelne Menschen oder Gruppen von Menschen zeigen, die wir für rassistisch halten, verschießen wir damit die Augen vor dem, was sich struktureller oder institutioneller Rassismus nennt. Damit ist gemeint: Ganz unabhängig davon, ob einzelne Menschen absichtsvoll rassistisch denken/reden/handeln, gibt es eine innere Logik in den Institutionen unserer Gesellschaft, in ihren Gesetzen und Normen, die Rassismen voraussetzt, begünstigt, weitertradiert. Unser gesellschaftliches Miteinander ist zum Teil so organisiert, dass es die Angehörigen der eigenen Gruppe systematisch gegenüber den Nicht-Dazugehörigen privilegiert. In verschiedensten gesellschaftlichen Feldern wie bei politischer Beteiligung, im Bildungssystem, auf dem Arbeitsmarkt, auf dem Wohnungsmarkt oder auch in der Kirche lässt sich dies ziemlich schnell beobachten, sobald man die Augen dafür aufmacht und Menschen zuhört, die als BiPoC eigene Erfahrungen dazu gemacht haben.

Manche dieser und noch folgender Gedanken stammen aus diesem hörenswerten Beitrag von Kokutekeleza Musebeni und Esther Distelmann:

https://www.br.de/mediathek/podcast/zuendfunk-generator/white-fragility-warum-weisse-rassismus-so-leicht-uebersehen/1806480

Dieser Beitrag ist Teil einer Reihe über Rassismus. Hier findest du die anderen Beiträge:

Teil 1: Zuhören als Grundvoraussetzung
Teil 3: Geschichte ist nicht obsolet
Teil 4: White Privilege
Teil 5: Happyland
Teil 6: White fragility
Teil 7: Mikroaggressionen

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Rassismus (Teil 1) – Zuhören als Grundvoraussetzung

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Vielleicht hast Du in den vergangenen Tagen die Debatte um Dieter Nuhr, seine rassistischen Kommentaren über Alice Hasters (mit denen er ihr Rassismus vorwirft), die zahlreichen Reaktionen und seine Verteidigungsrede (für die er viel Applaus bekommt) wahrgenommen. Falls nicht, spar es Dir am besten, das alles nachzuholen.

Ich beginne diesen Beitrag nur deshalb damit, weil an dieser Episode geradezu beispielhaft deutlich wird, wie die Rassismus-Debatte in Deutschland verläuft und mit welchen blinden Flecken viele von uns zu kämpfen haben. Ich schließe mich selbst ein.

Zugleich habe ich mich in den vergangenen Wochen/Monaten auf einen Weg gemacht, auf den ich Euch sehr gerne mitnehmen möchte. Und auch wenn ich noch selbst ziemlich am Anfang dieses Weges bin, kann ich Euch jetzt schon garantieren, dass er nun nicht gerade einfach wird, sondern ziemlich herausfordernd. Er wird uns irritieren und Weltbilder verändern, er wird uns damit konfrontieren, dass wir selbst Rassismen in uns tragen und unser Umfeld uns ein Leben lang rassistisch geprägt hat, er wird (vielleicht sogar starke emotionale) Abwehrhaltungen in uns auslösen und er wird von uns verlangen, erst einmal zuzuhören.