Vielleicht hast Du in den vergangenen Tagen die Debatte um Dieter Nuhr, seine rassistischen Kommentaren über Alice Hasters (mit denen er ihr Rassismus vorwirft), die zahlreichen Reaktionen und seine Verteidigungsrede (für die er viel Applaus bekommt) wahrgenommen. Falls nicht, spar es Dir am besten, das alles nachzuholen.

Ich beginne diesen Beitrag nur deshalb damit, weil an dieser Episode geradezu beispielhaft deutlich wird, wie die Rassismus-Debatte in Deutschland verläuft und mit welchen blinden Flecken viele von uns zu kämpfen haben. Ich schließe mich selbst ein.

Zugleich habe ich mich in den vergangenen Wochen/Monaten auf einen Weg gemacht, auf den ich Euch sehr gerne mitnehmen möchte. Und auch wenn ich noch selbst ziemlich am Anfang dieses Weges bin, kann ich Euch jetzt schon garantieren, dass er nun nicht gerade einfach wird, sondern ziemlich herausfordernd. Er wird uns irritieren und Weltbilder verändern, er wird uns damit konfrontieren, dass wir selbst Rassismen in uns tragen und unser Umfeld uns ein Leben lang rassistisch geprägt hat, er wird (vielleicht sogar starke emotionale) Abwehrhaltungen in uns auslösen und er wird von uns verlangen, erst einmal zuzuhören.

Letzteres ist vielleicht sogar die größte challenge. Zuhören können ist ja eine wunderbare Eigenschaft. Vielleicht kennst Du auch Menschen, die das gut können. Wenn ich Menschen begegne, die mir wirklich zuhören; die sich für mich interessieren – für meine Träume, meine Wünsche, meine Verletzungen, meine Erfahrungen – dann fühle ich mich sehr gewertschätzt. Manchmal entsteht sogar bei mir der Eindruck, dass mein Gegenüber ein Stück weit empfinden kann, was ich empfinde. Dieses Gefühl der Solidarität ist gold, auch wenn das, was ich teile, natürlich letztlich immer meine eigene Erfahrung oder meine eigene Verletzung bleibt.

Nicht jede*r aber kann gut zuhören. Wir alle kennen auch Menschen, die immer schon mit sich selbst beschäftigt sind. Und wir kennen das auch von uns. Das gilt insbesondere dann, wenn das, was mein Gegenüber zu sagen hat, mich selbst in Frage stellt. Dann drängt meine Sicht der Dinge, mein Wunsch nach Rechtfertigung oder Erklärung, meine Emotionalität ganz schnell nach vorne und deckt das, was mir von meinem Gegenüber (möglicherweise potenziell Gewinnbringendes) gesagt wird, ganz schnell zu.

In der Rassismus-Debatte ist dieses Muster quasi in Dauerschleife zu beobachten. Den allerwenigsten Menschen gelingt es, schon gleich zu Beginn des Gesprächs eine Haltung einzunehmen, die zuhörend, wertschätzend und so erwachsen ist, dass sie diese (in uns allen zu beobachtenden) Mechanismen zunächst einmal einfach nur erkennt.

Dieter Nuhr hat sich nun selbst als Paradebeispiel für das Gegenteil des zuhörenden, wertschätzenden Typs angeboten. Er zieht über ein Buch her, das er selbst nicht einmal gelesen hat, kann die anschließende Kritik in keiner Weise konstruktiv aufnehmen (gleich doppelt keine Bereitschaft zum Zuhören), verfällt sodann in Tiraden von Rechtfertigungen (absolut typisch für den beschriebenen Mechanismus) und ist ausschließlich mit sich und der Wahrnehmung seiner Person beschäftigt und so gar nicht mit dem eigentlichen Problem Rassismus (und wenn, dann nur in der Form, dass er sich selbst als Opfer desselben generiert).

Noch einmal: Warum das Dieter-Nuhr-Bashing an dieser Stelle? Weil an seinem Verhalten und seiner Argumentation vieles von dem so beispielhaft deutlich wird, was in uns allen steckt. Was in mir steckt. Es wäre nicht nur zu einfach, sondern meinem eigenen Anliegen genau entgegengesetzt, die Rassismus-Keule gegen D. Nuhr zu schwingen, um von mir selbst abzulenken. Das Gegenteil möchte ich hier versuchen. Mir selbst auf die Spur zu kommen. Sozusagen dem Dieter in mir.

Deshalb am Anfang dieses Weges einfach nur folgende Aufforderung: Sei nicht wie Dieter! Sei jemand, der/die zuhört. Mit diesem Video (das ich für ein Seminar zu „Rassismus und Kirche“ heute abend zugeschickt bekommen habe) kannst Du mit mir üben:

Dieser Beitrag ist Teil einer Reihe über Rassismus. Hier findest du die anderen Beiträge:

Teil 2
: Doch nicht in Deutschland!
Teil 3: Geschichte ist nicht obsolet
Teil 4: White Privilege
Teil 5: Happyland
Teil 6: White fragility
Teil 7: Mikroaggressionen