Mit mir kann man super in Skandinavien Urlaub machen. In einer beliebigen Gruppe von Menschen werde garantiert ICH als allererster von jeder anwesenden Mücke gestochen werden. Dieses nicht beneidenswerte Persönlichkeitsmerkmal habe ich an meine Töchter weitervererbt. Ich hoffe, sie werden noch lange mit mir Urlaub machen. So verteilt sich das Leid.

Diese Erfahrung also habe ich manchen anderen Menschen voraus, die nur hin und wieder mal von einer Mücke gestochen werden. Deshalb hat mir folgendes Video so eingeleuchtet:

In punkto Hautfarbe stehe ich auf der anderen Seite. Niemand stichelt gegen mich. Ich habe keine Mikroagressionen auszuhalten. Andere dagegen schon. „Mikroagressionen sind subtile, übergriffige Äußerungen in der alltäglichen Kommunikation und in alltäglichem Handeln.“ (T. Ogette) Einige Beispiele aus „Exit Racism“ seien genannt:

„Wo kommst du eigentlich her?“
„Nee, ich meine: Wo kommst du EIGENTLICH her?“
„Diese Schoko-Babys sind immer die Süßesten!“
„Kann ich mal Deine Haare fühlen?“
„Dein Deutsch ist ja richtig gut!“
„Ihr könnt doch alle so gut tanzen!“

Außerdem: Das Klammern an der Handtasche, wenn sich ein schwarzer Mann auf der Straße nähert. Das Aufstehen vom Platz in der Straßenbahn, wenn sich eine PoC neben einen setzt. Der Ladendetektiv, der schwarzen Kunden mehr Aufmerksamkeit schenkt.

Viele Mikroagressionen sind nicht böse gemeint. Eher gedankenlos, häufig auch mit einem Kompliment oder einem Lächeln verbunden. Der eigenen versteckten Botschaft vermutlich kaum bewusst. Und wenn dann das Gegenüber genervt reagiert, ist das erstmal unverständlich: „Jetzt chill mal, ich hab es doch nicht so gemeint.“ „Nun sei doch nicht gleich beleidigt.“ An dieser Stelle stellt sich einmal mehr die Frage nach der Deutungshoheit. Wer legt denn eigentlich fest, was rassistisch ist und was nicht? Der gedankenlos Daher-Redende oder diejenige, die ihr Leben lang von Mücken gestochen worden ist? Auch die Wirkkraft vieler Foltermethoden entsteht erst durch Wiederholung.

Dieser Beitrag ist Teil einer Reihe über Rassismus. Hier findest du die anderen Beiträge:

Teil 1: Zuhören als Grundvoraussetzung
Teil 2: Doch nicht in Deutschland!
Teil 3: Geschichte ist nicht obsolet
Teil 4: White Privilege
Teil 5: Happyland
Teil 6: White fragility