Wer sich mit Rassismus beschäftigt, kommt nicht ganz umhin, sich auch mit dessen Geschichte zu beschäftigten. Menschen wie Dieter Nuhr verzichten darauf. Er schreibt: „So wie ICH den Begriff Rassismus verwende, wird er im Umgangssprachlichen verwendet, und das ist die Sprache, die ich auf der Bühne spreche. Für die akademische Umdefinition des Rassismus-Begriffes plötzlich Allgemeingültigkeit zu fordern, ist leider typisch für den ideologisierten akademischen Prozess.“

Mit den Akademiker*innen meint er vermutlich Alice Hasters, Tupoka Ogette u.a., die in den vergangenen Jahren darauf aufmerksam gemacht haben, dass der in Deutschland im Allgemeinen Verwendung findende Rassismus-Begriff eben gerade nicht ausreichend ist, sondern auch in seiner Entstehungsgeschichte verstanden werden muss. Gerade wir Deutschen müssten ja wissen, dass wir Begriffe nicht einfach nach eigenem Gutdünken neu definieren können, sondern diese immer auch in ihrem historischen Kontext zu betrachten sind. Deshalb ein kurzer Ausflug in die Geschichte des Rassismus in Stichworten, der vermutlich bei den Wenigsten von uns Inhalt des Schul-Unterrichts gewesen ist:

Wovon die meisten von uns gehört haben dürften, ist der Kauf und Verkauf von Afrikaner*innen als Ware in die USA und die Karibik zu Beginn der Neuzeit. Der bei uns übliche Begriff „Sklavenhandel“ betont die ökonomische Dimension dieser Deportation. Und tatsächlich bedeutete der Abtransport von mehrheitlich jungen Menschen ja auch eine gewaltige ökonomische Schwächung des ganzen Kontinents. In Swaheli wird dagegen von der „Maafa“ (große Tragödie/Unglück) gesprochen – mit diesem Begriff wird deutlich, mit welcher Traumatisierung ganze Völker leben müssen, denen viele Millionen mal geliebte Menschen gewaltsam genommen wurden, von denen wiederum viele die Deportation noch nicht einmal überlebten. Wer nur von „Handel“ spricht, verkennt die Dimension der anhaltenden Gewalt und des Massenmords und steht in der Gefahr, diese euphemistisch lediglich als kommerzielles Dilemma zu bezeichnen.

Zugleich entsteht genau in diesem wirtschaftlichen Kontext erst so etwas wie eine Theorie des Rassismus. Denn wie soll man in Zeiten des Humanismus etwas so Inhumanes wie die Maafa rechtfertigen? Die Lösung ist so einfach wie perfide und hat wieder mit einer Neu-Definition von Begrifflichkeiten zu tun: Afrikaner*innen sind nämlich gar keine Menschen!

Zu dieser Idee trägt nun ausgerechnet auch noch die christliche Farbsymbolik bei, die sich mit ihrer Kontrastierung von „Hell vs. Dunkel“, „Schwarz vs. Weiß“ geradezu anbietet. „Weiß“ steht dann in dieser Logik für das Himmlische und Überlegene; „Schwarz“ für das Tierische, Animalische, Böse.

Auch unsere Helden der Aufklärung tragen zur Rechtfertigung der Maafa bei. Immanuel Kant bedient sich der Hautfarbentheorie/Klimatheorie von Aristoteles und schreibt: „Die Menschheit ist in ihrer größten Vollkommenheit in der Rasse der Weißen. Die gelben Indianer haben schon ein geringeres Talent. Die N* sind weit tiefer, und am tiefsten steht ein Teil der amerikanischen Völkerschaften. […] Die N* von Afrika haben von der Natur kein Gefühl, welches über das Läppische stiege.“

Georg Friedrich Wilhelm Hegel folgt Kant: „Der N* stellt den natürlichen Menschen in seiner ganzen Wildheit und Unbändigkeit dar. […] Es ist nichts an das Menschliche Anklingende in diesem Charakter zu finden.“

Als Kolonialmächte fallen uns zumeist zunächst England, Spanien, die Niederlande ein. Aber auch wir Deutschen waren im heutigen Namibia, Togo, Ruanda, Tansania, Burundi, Kamerun und Neuguinea gut dabei. Der Völkermord an den Herero und Nama (deutscher Oberbefehlshaber Trotha: „Ich glaube, dass die Nation als solche vernichtet werden muss.“) gilt als erster Völkermord des 20. Jahrhunderts. Mit der Ermordung von bis zu 70.000 Menschen war dieses Vorhaben dann auch beinahe gelungen. Die offizielle Anerkennung der Bundesrepublik Deutschland des Massakers an den Herero und Nama als Völkermord ist weiterhin umstritten. Unbestätigten Berichten zufolge soll die Bundesregierung im August Namibia eine Zahlung von 10 Millionen Euro angeboten haben. Das würde dann ziemlich genau der Gage von Heidi Klum bei GNTM entsprechen. Darauf konnte dann Namibias Präsident Hage G. Geingob wohl auch nur noch ironisch reagieren.

Auch in meinen Ton – so stelle ich beim Schreiben fest – schleicht sich dieser ironische Ton ein. Einfach, weil es nicht zu ertragen ist. Das, was geschehen ist. Und die Geschichtsvergessenheit des deutschen Bildungssystems einerseits und von deutschen Komikern andererseits.

Wer ein bisschen mehr Zeit hat als für meine Stichworte hier, fängt am besten hier an:

https://youtu.be/-jiHsBEe2os

Dieser Beitrag ist Teil einer Reihe über Rassismus. Hier findest du die anderen Beiträge:

Dieser Beitrag ist Teil einer Reihe über Rassismus. Hier findest du die anderen Beiträge:

Teil 1: Zuhören als Grundvoraussetzung
Teil 2: Doch nicht in Deutschland!
Teil 4: White Privilege
Teil 5: Happyland
Teil 6: White fragility
Teil 7: Mikroaggressionen