„Ja, aber: Es gibt ja auch Rassismus gegen Weiße!“

Vielleicht ist die eine oder der andere inzwischen schon genervt von diesen ganzen Beiträgen hier: „Immer sind wir Weißen die Bösen! Oder zumindest diejenigen, die was lernen müssen. Aber wir brauchen ja nur nach Afrika fahren und dann ist es genau anders herum!“

Früher oder später kommt bei den meisten von uns dieser Impuls auf. Vielleicht ist er sogar verständlich, denn an der eigenen rassistischen Prägung zu arbeiten ist anstrengend. Bevor wir einen Blick darauf werfen, ob es so etwas wie Rassismus gegen Weiße geben kann, lohnt ein Blick auf dieses typische Reaktionsmuster.

Was hier passiert: Der/die Sprechende begibt sich in die Opfer-Rolle und wird damit im Gespräch wieder selbst zum Subjekt des Interesses. Während es zuvor ja genau darum gegangen war, denjenigen zuzuhören, die Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren und sich darin einzuüben, erstmal einmal bei dem/der anderen zu bleiben, kehrt sich die Perspektive hier wieder um. Der Impuls, sich mit sich selbst zu beschäftigen, ist einfach zu stark. Geben wir diesem Impuls also einmal kurz (aber bewusst) nach, um dann anschließend in den folgenden Beiträgen wieder die Perspektive zu wechseln.

„Im Urlaub hab ich auch Rassismus erlebt. Die Leute da haben gefragt, wo ich herkomme. Die wollten auch unbedingt meine Haare anfassen.“ Wenn jemand so erzählt, dann scheint es zunächst einmal naheliegend: Wer Opfer von Rassismus wird, ist lediglich eine Frage der Mehrheitsverhältnisse und damit auch der anerkannten Norm in einer gegebenen Situation. Was aber zunächst plausibel klingt, ist zum einen geschichts-vergessen und berücksichtigt zum anderen nicht weltweite Machtverhältnisse.

Rassismus ist nicht im luftleeren Raum entstanden, sondern hat eine Geschichte der Ausbeutung aufgrund wirtschaftlicher Interessen, die sich vor allem mit dem Kolonialismus verbindet. Man muss den Rassismus-Begriff also schon von dieser Historie abkoppeln, um sich als Weißer als Opfer von Rassismus zu verstehen. Hinzu kommt, dass man an diese Geschichte eben keinen Haken setzen kann. Weltweite ökonomische Machtverhältnisse zementieren weiterhin ein klares Gefälle: Wir profitieren von niedrigen Marktpreisen und günstigen Rohstoffen, leisten uns die Nicht-Anerkennung des Massakers an den Herero und Nama als Völkermord und selbst in der ungewohnten Situation des weißen Urlaubers unter vielen Schwarzen ist für alle Beteiligten klar: Weiß-Sein ist letztlich immer noch ein Vorteil auf diesem Planeten.

Die Erfahrung des weißen Urlaubers ist die, in der Minderheit und exotisch zu sein. Als Fremder wahrgenommen und möglicherweise deshalb sogar ausgegrenzt und unfreundlich behandelt zu werden. All das können auch weiße Menschen erleben. Aber sie können eben nicht dieselbe Rassismus-Erfahrung wie schwarze Menschen machen. Die Erfahrung des weißen Urlaubers kann ihm bestenfalls helfen, rassismuskritisch denken zu lernen. Das wäre gut. Aber sie ist keine Rassismus-Erfahrung. Und deshalb gibt es keinen Rassismus von Schwarzen gegen Weiße.

Dieser Beitrag ist Teil einer Reihe über Rassismus. Hier findest du die anderen Beiträge:

Teil 1: Zuhören als Grundvoraussetzung
Teil 2
: Doch nicht in Deutschland!
Teil 3: Geschichte ist nicht obsolet
Teil 4: White Privilege
Teil 5: Happyland
Teil 6: White fragility
Teil 7: Mikroaggressionen
Teil 8: Sprache
Teil 9: Blackfacing